Lavarellahütte - Lavarella-Spitze, 3.055 m - Faneshütte, 08:00 Std.
Der zweite Tag in der Fanesregion bringt eine Eintrübung der Wetterlage. Von der 2.042 Meter hoch gelegenen Lavarellahütte starten die Watzmänner im Nieselregen in das nächste Bergabenteuer, der Überschreitung der La-Varella-Spitze, eines weiteren Dreitausenders am Westrand des Fanesmassivs. Trotz der widrigen Witterungsverhältnisse steigen wir zur Fanes-Hochfläche hinauf. Das Gelände zeigt sich nicht so öde wie am Vortag. Zwischen Latschenbeständen werden kleine Rinnsale überschritten. Auf den spärlichen Almwiesen links und rechts des Bergpfades zeigen sich mehrere Murmeltiere, die mit schrillem Pfiff ihre Artgenossen warnen.
Nach zwei Stunden Wanderzeit wird auf einer Seehöhe von 2.584 Metern die Medesscharte erreicht. Mittlerweile hat der Regen stark zugenommen und ein tosender Sturm treibt die Watzmänner vor sich her, so dass man sich kaum auf den Beinen halten kann. Guter Rat ist jetzt teuer! Soll man das Unternehmen Überschreitung der Lavarella-Spitze abbrechen? Nach kurzer Pause und eingehender Beratung entschließen sich die Bergsteiger trotz der schlechten Wetterverhältnisse zum Weitermarsch. So wird der Regenschutz noch dichter gezogen, als es über loses Gestein steil bergan in eine Bergflanke hinein geht. Nasses Geröll und schlüpfriges Blockgestein erschweren den mühsamen Aufstieg, der meist schnurgerade und überaus steil zum Gipfel hinauf führt. Mit jedem Höhenmeter nimmt auch der Nebel zu. Unterhalb der Bergspitze wird es noch einmal spannend. Zwei ungesicherte Kletterstellen sind zu durchsteigen. Ein Abrutschen im nassen Fels hätte für die ganze Gruppe fatale Folgen. Deshalb muss jeder Tritt sitzen und wohl bedacht sein. Endlich taucht aus dem dichten Nebel das Gipfelkreuz der 3.055 Meter hohen La-Varella-Spitze auf, unter dem das gewohnte „Berg Heil“ ausgebracht wird.
Auch auf diesem Dreitausender müssen die Watzmänner wie am Vortag auf der Zehnerspitze auf ein herausragendes Bergpanorama verzichten. So macht man sich alsbald an den Abstieg, der sich zur anderen Seite des Berges hin recht einfach über felsige Pfade bewerkstelligen lässt. Die beabsichtigte Besteigung der nahegelegenen, 3.064 Meter hohen Conturinespitze entfällt, vielmehr wählt Bergführer Christian Treimer aus Sicherheitsgründen den direkten Abstieg ins Tal über den Dolomitenhöhenweg. Als die Gruppe den kleinen Conturinesee erreicht, klart es endlich auf und die Sonne zeigt sich am Himmel. Am kristallklaren Gewässer wird noch einmal große Rast gehalten, um dann dem Steig weiter ins Tal zu folgen. Dabei bewundern wir immer wieder die aufgefalteten, wilden Gebirgsmassive in diesem Teil der Dolomiten. Die kleine Fanes-Alm wird erreicht und ein rauschender Gebirgsbach überschritten, um dann einem breiten Fahrweg zur Fanes-Hütte zu folgen. Dort wird mit einer Runde Kiefernbrand auf die gelungene Überschreitung der La-Varella-Spitze angestoßen.
Autor und Fotograf: Konrad Friedgen