Hohe Tauern
Der Veneidiger Höhenweg führt die Bergkameraden über den Unteren Keesboden auf den Gipfel des Groß-Venedigers.
Der Großglockner ist mit 3.798 m der höchste Berg Österreichs, eine der markantesten Erhebungen der Ostalpen im Bereich der Hohen Tauern und für zahlreiche Bergsteiger der Gipfel ihrer Leidenschaft. Seit seiner Erstbesteigung im Jahre 1800 durch eine aus vier Teilnehmern bestehenden Großexpedition unter der Leitung von Fürstbischof Salm-Reifferscheid-Krautheim kommt dem Großglockner eine gewichtige Rolle in der Entwicklung des Alpinismus zu. Darüber hinaus ist er von großer Bedeutung für den Fremdenverkehr in der Region. Mit mehr als 5.000 Gipfelbesteigungen pro Jahr ist der Großglockner kein einsames Hochtouren-Ziel, aber auch keine Anfängertour. Bei der Besteigung sollte man daher die zusätzlichen Kosten nicht scheuen und sich eines ortskundigen Bergführers bedienen.
Das Ziel unserer Anreise war das Glocknerhaus auf einer Seehöhe von 2.132 Metern. Von hier aus unternahmen wir am 1. Bergtag eine Akklimatisierungstour über den Gamsgrubenweg hinauf zur Franz-Josefs-Höhe, um den Stausee Margaritze herum und wieder zurück zum Glocknerhaus. Am Morgen des 2. Bergtages stiegen wir dann durch das Leitertal auf zur 2.644 Meter hoch gelegenen Salmhütte, dem Ausgangspunkt der Gipfelbesteigung. Eine sehr schöne und lohnende Route. An der Salmhütte trafen wir auf unseren Bergführer Christian Treimer, der uns beim Gipfelanstieg begleiten sollte.
Die Bergwanderung des Wanderjahres 2011 führt die Watzmänner in den Nationalpark Hohe Tauern. Fünf Tage wandert die siebenköpfige Gruppe über den Venediger Höhenweg, eine der schönsten Panoramarouten in den Ostalpen. Wilde Steige, Gletscherquerungen, rauschende Gebirgsbäche und traumhafte Aussichten in einsame Tallagen und auf ein gigantisches Bergpanorama machen die Route zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Absolutes Highlight ist natürlich die Besteigung des Grossvenedigers über ausgedehnte Gletscher am letzten Bergtag. Bei leichtem Nieselregen wandern wir von Ströden in das Maurertal hinein. Entlang des Gebirgsbaches geht es anfangs auf einem breiten Fahrweg zur Stoanalm hinauf. Dann führen steile Serpentinenpfade neben dem tief eingeschluchteten Maurerbach in den Steilhang hinein. Das Rauschen eines Wasserfalls wird immer stärker, als wir uns der Essen-Rostocker-Hütte nähern. In unzähligen kleinen Kaskaden stürzt hier das Gletscherwasser tosend zu Tal.
Der zweite Bergtag in den Hohen Tauern beginnt mit einer deutlichen Verbesserung der Wetterlage. Als die Watzmänner am frühen Morgen an der Johannishütte losmarschieren, haben sich die Regenwolken aufgelöst und die Sonne strahlt vom Himmel. Auch die letzten Nebelschwaden sind gewichen und die umliegenden 3.000er mit ihren schneebedeckten Gipfeln erstrahlen im gleißenden Sonnenlicht.
Hinter der Johannishütte auf 2.121 m steigt der Venediger Höhenweg auf felsigen Pfaden sogleich steil an. Von der Anhöhe fällt der Blick hinüber zum Türmljoch, dem Übergang des gestrigen Bergtages und wenig später auch hinauf zum Großvenediger, der mit seiner langgezogenen Firnflanke eine unverkennbare Gipfelsilhouette bildet. Mit zunehmender Höhe wird das Gelände felsiger. Schutt und Geröll sind unsere ständigen Wegbegleiter, als die Route steil aber unschwer zur Zopedscharte hinauf führt. Ein Steinhaufen aus dem der Wegweiser herausragt zeigt an, dass wir den Übergang auf 2.958 m erreicht haben. Hier wird eine Pause eingelegt, bevor es zur anderen Seite steil bergab geht.
Auch der dritte Bergtag in den Hohen Tauern wartet mit einer traumhaften Wetterlage auf, als sich die Watzmänner mit leichtem Gepäck an die Besteigung des Sailkopfes heranmachen. Von der Bonn-Matreier-Hütte geht es über gewaltige Granitblöcke in ein Geröllkar hinein, durch das sich ein schmaler Pfad in Serpentinen zum Sailkopf hinauf windet. Unterhalb des Gipfels wird leichtes Klettergelände erreicht, das aber hervorragend mit Drahtseilen versichert ist.
Über abgestuftes Blockgestein gelangen die Bergsteiger so unschwer zum Gipfel des 3.209 m hohen Sailkopfes. Unter dem Gipfelkreuz eröffnet sich den Watzmännern sodann ein traumhaftes Tauernpanorama. Der schneebedeckte Großvenediger und das Großglocknermassiv, alle Höhenzüge der Zentralalpen und die weit entfernten Bergspitzen der Dolomiten sind von hier aus einzusehen. Allerdings lässt uns eine steife Morgenbrise nur kurze Zeit auf dem Gipfel verweilen, dann macht man sich wieder an den Abstieg zur Bonn-Matreier-Hütte.
Einsetzender Nieselregen kündet am Morgen des vierten Bergtages nichts Gutes an, als sich die Watzmänner von der Badener Hütte auf den Weg machen und der Route des Venediger Höhenweges durch die grasige Hangflanke des Löbbenbachtals folgen. Auf einer Seehöhe von ca. 2.600 Metern werden mehrere Gebirgsbäche überschritten und einige, mit Drahtseilen gesicherte Kletterstellen durchstiegen.
Ausgesetzte Felsenstufen und plattiges Gestein sorgen immer wieder für Abwechslung. Während über dem weit entfernten Virgental noch dichter Nebel liegt, sind die Blicke hinab ins Löbbenbachtal überaus bemerkenswert. Schließlich erreicht die Gruppe das 2.770 Meter hoch gelegene Löbbentörl. Eine kurze Pause an der felsigen Scharte wird dazu genutzt, die Bekleidung noch einmal regendicht zu machen, bevor der Abstieg zum Gletscher des Unteren Keesbodens beginnt. Über Geröll und grobes Blockgestein geht es sodann bergab.
Was sagen die Wetterfrösche? Ist eine Besteigung des Großvenedigers möglich? Das sind die Fragen, die sich die Watzmänner am frühen Morgen des fünften Bergtages stellen, als sie sich an der Neuen Prager Hütte auf den Gipfelangriff vorbereiten. Für den späten Vormittag sagt der Wetterbericht eine deutliche Wetterbesserung voraus, weiß der Hüttenwirt zu berichten. Nach reiflicher Überlegung entschließt man sich den Gipfelangriff zu wagen.
Zur Besteigung des Großvenedigers verlassen die Bergsteiger bereits um 05:30 Uhr die Neue-Prager-Hütte, schließlich sind 800 Höhenmeter über Gletschereis bis zum Gipfelkreuz zu durchsteigen. Im leichten Nieselregen und im fahlen Licht flackernder Stirnlampen geht es über grobe Granitblöcke in eine Senke hinab und dann über zwei kleine Schneefelder zum Anseilplatz hinauf. Hier werden die Steigeisen angelegt und eine Seilschaft gebildet. Mit dem Bergführer voraus steigen die Watzmänner sodann in die steile Gletscherflanke hinein.