Wiesbadener Hütte - Hintere Jamtalspitze, 3.156 m - Jamtalhütte, 9 Std.
Der vierte Tag in den Alpen wartet dann tatsächlich mit strahlendem Sonnenschein auf. Die aufgehende Sonne lässt die Gipfel glühen und verspricht einen traumhaften Bergtag. Über Gletschermoränen führt die Route von der Wiesbadener Hütte hinauf zum Vermuntgletscher. Bergführer Christian Treimer, auf größte Sicherheit bedacht, lässt an der Gletscherzunge Steigeisen anlegen und bildet zwei Fünferseilschaften, die auf dem Firneis steil bergan zur oberen Ochsenscharte aufsteigen.
Das ungewohnte Gehen mit Steigeisen und der schwere Rucksack stellen jetzt hohe Anforderungen an Geschicklichkeit und Kondition der Bergsteiger. Von der Oberen Ochsenscharte geht es über den Jamtalferner links schwenkend wieder bergab und von Österreich in die Schweiz hinein. Rechts und links der Route zeigen sich überall die tückischen Gletscherspalten, die entweder überaus vorsichtig überschritten oder umgangen werden müssen. Nach kurzer Gletscherrast erfolgt dann der „Angriff“ auf die Hintere Jamtalspitze. Dieser herausragende Aussichtsgipfel ist nur über Gletscher zu erreichen. Auf dem Weg zur Bergspitze sind daher gewaltige Eismassen zu überwinden. Auch bei diesem sehr steilen Anstieg ist größte Vorsicht geboten, bedeckt doch die Schneelage aus den Vortagen das Spaltengelände. Im gleißenden Sonnenlicht wird schließlich nach kurzer Steigeisenkletterei das Gipfelkreuz erreicht.
Hier erschließt sich den Watzmännern das fantastische Gletscherpanorama der Silvretta. Weit schweift der Blick von der 3.156 Meter hohen Hinteren Jamtalspitze in die benachbarten Alpenregionen hinein. Der höchste Gipfel in der Silvretta, der in der Schweiz gelegene Piz Linard, ist gut auszumachen. Auch der Piz Buin, das Fluchthorn und die Dreiländerspitze, wo sich Tirol, Vorarlberg und Graubünden begegnen, werden von den Watzmännern bewundert. Nach dem obligatorischen Eintrag ins Gipfelbuch beginnt dann der unvermeidliche Abstieg.
Dazu wählt Bergführer Christian Treimer die gut sichtbare Aufstiegsroute, die jetzt herausragende Aussichten in das weitläufige Jamtal gestattet. Die Sonneneinwirkung hat die gefrorene Schneedecke zum Auftauen gebracht. Deshalb werden die heiklen Gletscherspalten am straff gespannten Seil im größter Vorsicht überstiegen.
Im unteren Bereich des gewaltigen Jamtalferners queren windungsreiche Gletscherbäche die Route der beiden Seilschaften. Dann ist die Gletscherüberschreitung zu Ende. Die Steigeisen werden abgelegt und über die riesigen Geröllhalden der Gletschermoränen geht es jetzt abwärts ins Tal. In der hochmodernen, den ökologischen Erfordernissen angepassten Jamtalhütte endet dieser herausragende Bergtag in der Silvretta.
Autor: Konrad Friedgen
Fotografen: Helmut Seiwert, Konrad Friedgen